1. Juni 2023

Die wichtigsten Erkenntnisse von heute

Wir haben die folgenden Höhepunkte (✅) und Tiefpunkte (✖) beobachtet:

✅ Die Länderdelegierten haben sich heute in zwei parallelen „Kontaktgruppen“ in die Arbeit gestürzt: eine konzentrierte sich auf das „Was“ des Vertrags (Ziel und Kernverpflichtungen), die andere auf das „Wie“ (Finanzmechanismen, Aufbau von Kapazitäten und nationale Aktions- und Umsetzungspläne).

✅ Indigene Völker aus der ganzen Welt haben eine Nebenveranstaltung ausgerichtet, bei der die Staaten aufgefordert wurden, einen starkes Plastikabkommen zu verabschieden, um die globale Krise zu bewältigen, indigene Völker zu schützen und indigenes Wissen zu würdigen.

✅ Die Expert*innen der Zivilgesellschaft brachten genug Schokolade mit, um die dritte sehr späte Nacht in Folge in den Verhandlungssälen zu überstehen.

✖ Dieser Prozess untergräbt weiterhin sein eigenes Mandat für eine „möglichst breite und effektive Beteiligung“, indem er die Stimmen der Zivilgesellschaft in den INC-Räumen einschränkt.

✖ Indigene Völker – die nach internationalem Recht geschützte Rechte besitzen – mussten ihre eigene Nebenveranstaltung organisieren, um von den INC-Delegierten gehört zu werden.

✖ Einem Unternehmen, das ein Eigeninteresse daran hat, die Plastikproduktion aufrechtzuerhalten, wurde von der UNEP eine Plattform für eine Nebenveranstaltung gegeben, um für „plastic offsetting“ (den „Ausgleich“ von Plastik) zu werben – ein falsches Lösungskonzept, das weder die Plastikproduktion noch die Verschmutzung „ausgleicht“. Ein großer Teil des für den „Ausgleich“ gesammelten Plastiks wird verbrannt, was umliegenden Gemeinden und der Umwelt schadet.

✖ Einige Länder zeigten ein beunruhigend begrenztes Verständnis der Plastikverschmutzung, das im Widerspruch zu den bestehenden Definitionen des internationalen Rechts steht und die Wirksamkeit des Vertrags, der aus diesem Prozess hervorgehen wird, gefährdet.

Wir brauchen eine klare Definition von Plastikverschmutzung

Jetzt, da sich die Delegierten endlich der Sache zuwenden ist vorhersehbar, dass die Debatte über die Definition von Plastikverschmutzung bald beginnen wird. Es mag einfach erscheinen, aber es gibt bisher keine rechtsverbindliche Definition von Plastikverschmutzung. Daher ist dies eine frühe Möglichkeit, den Umfang der Debatte in Vertragsverhandlungen einzugrenzen – oder zu erweitern.

Durch die Beschränkung der Definition auf Abfälle lässt sich leicht ignorieren, dass es entlang des gesamten Lebenszyklus von Plastik (von der Ressourcen-Extraktion bis zum Nutzungsende) sichtbare und unsichtbare Klima-, Gesundheits- und Umweltauswirkungen gibt. Daher müssen die Mitgliedstaaten eine möglichst weit gefasste Definition anstreben. Anstatt bei Null anzufangen, sollten sie die jüngste Formulierung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verwenden: Plastikverschmutzung ist “broadly, all emissions and risks resulting from plastics production, use, waste management, and leakage” („im weitesten Sinne alle Emissionen und Risiken, die sich aus der Produktion, der Verwendung, der Abfallbewirtschaftung und der Leckage von Kunststoffen ergeben“).

Indigene Völker fordern eine stärkere Beteiligung

Indigenen Völkern wurde bisher keine sinnvolle Teilnahme an den Verhandlungen gestattet. Als Reaktion darauf sahen sich indigene Anführer*innen gezwungen, eine inoffizielle, informelle Veranstaltung zu organisieren, auf der sie auf die mangelnde Beteiligung indigener Völker an den Verhandlungen aufmerksam machten und die Welt daran erinnerten, dass unsere wahre kritische Infrastruktur die Luft, das Land und das Wasser ist (critical infrastructure is the air, land, and water). Ein Vertreter der Maori-Gemeinschaft in Neuseeland merkte außerdem an, dass „kreisförmige Systeme regenerativ und wiederverwendbar sind.

„Plastic Offsetting“: Eine falsche Lösung, die sich im Verborgenen hält

Das Unternehmen Verra Standards veranstaltete ein Event, bei der die „Kompensation“ von Kunststoffen als Lösung für die Plastikverschmutzung angepriesen wurde. Beim „Ausgleich“ von Plastik erwirbt ein Unternehmen, das Kunststoff verwendet, Gutschriften, die einer bestimmten Menge an gesammeltem und behandeltem Kunststoff an einem anderen Ort der Welt entsprechen. Diese Unternehmen geben dann an, dass sie ihren Plastikverbrauch „kompensiert“ haben, obwohl sie nichts getan haben, um ihren tatsächlichen Plastikverbrauch zu ändern.

Dieses System dient der Rechtfertigung der weiteren Verwendung von Einwegplastik durch die Unternehmen die die „plastic credits“ („Plastik Gutschriften“) erwerben. Es trägt nicht zur Verringerung der Plastikverschmutzung in dem Land bei, in dem die Gutschrift-Erwerber tätig sind. Stattdessen bauen die Abnehmer des für die Kompensation gesammelten Abfalls zur Entsorgung oft auf die Verbrennung des Plastiks in Zementöfen, was zu Luftverschmutzung führt und die Gesundheit der lokalen Bevölkerung schädigt. Erst heute haben Aktivist*innen von Aliansi Zero Waste Indonesia ein Schreiben der Gemeinde Angga Swara auf Bali an die Unternehmenszentrale von Danone in Paris übergeben, in dem die Schließung eines von Verra Standards zertifizierten (und von Danone finanzierten) Projekts gefordert wird, nachdem die Gemeinde erheblichen giftigen Rauch aus der Anlage festgestellt hatte.

Vermeidung von Schlupflöchern und Begrenzung der Teilnahme von Verursachern

Dieses INC kann wichtige Lehren aus dem jahrzehntelangen Kampf gegen die Gesundheits- und Umweltbedrohungen durch das Rauchen und das üble Verhalten der Tabak-Industrie ziehen.

1️⃣ Um Kunststoffe angemessen zu regulieren oder zu verbieten und damit die Verschmutzung durch Kunststoffe zu beenden, werden die Kriterien, die zur Unterscheidung und Regulierung der Tausenden von Chemikalien, Kunststoffarten und Produkten in der Wertschöpfungskette von Plastik verwendet werden, eine Schlüsselfrage für die Verhandlungen sein. Ein zu eng gefasster Ansatz birgt die Gefahr, dass sich einige hochproblematische Produkte vordefinierten Kategorien oder Kriterien entziehen können – wie etwa Zigarettenfilter. Zigarettenfilter werden ebenfalls aus einer Polymerart hergestellt und jeder Zigarettenfilter wird zu einer Kippe. Zigarettenstummel gehören immer wieder zu den am häufigsten gesammelten Gegenständen bei Müllsammlungen.

2️⃣ Das Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums schützt die Umsetzung des Abkommens auf nationaler Ebene zu Recht vor dem Einfluss der Tabakindustrie. Denn die Unternehmen, die für die weltweite Tabaksucht-Krise verantwortlich sind, haben ein erhebliches Eigeninteresse daran, wie die Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums, die dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienen sollen, ausgestaltet sind. Ähnliches gilt auch für die Verhandlungen über das Plastikabkommen: Die Kunststoffhersteller und Konsumgüterunternehmen, die uns in diese Gesundheits- und Umweltkrise hineingezogen haben, sollten keinen Einfluss auf die Verhandlungen oder die Umsetzung eines Abkommens haben, das die Krise beenden soll.

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