14./15. August 2025

Pressemitteilung von Break Free From Plastik zum Abschluss von INC 5.2

Die Zivilgesellschaft bleibt standfest angesichts eines durchgรคngig fehlerbehafteten Verhandlungsprozesses zum Plastikabkommen und fordert die Lรคnder auf, entschlossene MaรŸnahmen zu ergreifen

Genf, Schweiz โ€“ Die wiederaufgenommene fรผnfte Sitzung des Zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses (INC-5.2) fรผr ein globales Abkommen zur Beendigung der Plastikverschmutzung wurde nach einem chaotischen Prozess vertagt, der die Verhandlungen zwar um einen Tag verlรคngerte, der aber ohne eine klare Einigung รผber das weitere Vorgehen endete. Die Zivilgesellschaft fordert die Staats- und Regierungschefs der Welt nachdrรผcklich auf, sich weiterhin fรผr ein starkes, rechtsverbindliches Abkommen einzusetzen, das die Kunststoffproduktion reduziert und die menschliche Gesundheit, die Menschenrechte und die Umwelt schรผtzt.

Trotz fehlender Mรถglichkeiten fรผr Interventionen und eingeschrรคnktem Zugang wรคhrend des gesamten Prozesses haben indigene Vรถlker, Frontline- und Fenceline-Gemeinden, Mรผllsammler*innen, Arbeiter*innen, Wissenschaftler*innen und die Zivilgesellschaft ihre Standpunkte konsequent in den Mittelpunkt dieser von Unternehmen dominierten Verhandlungen gebracht. Ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Fachkenntnisse haben maรŸgeblich dazu beigetragen, die Debatte รผber die Plastikverschmutzung von einem engen Fokus auf Meeresmรผll zu einer weit verbreiteten Erkenntnis zu verlagern, dass Plastik in seinem gesamten Lebenszyklus die Umwelt verschmutzt. Sie haben durchweg die Verpflichtung der verhandelnden Lรคnder hervorgehoben, die menschliche Gesundheit und die Menschenrechte in den Mittelpunkt der Vertragsverhandlungen zu stellen.

Es ist nicht zu verhehlen, dass die gesamten Verhandlungen von der petrochemischen Industrie dominiert wurden. Eine Untersuchung des Center for International Environmental Law (CIEL) ergab, dass sich im Lauf der Jahre zunehmend Lobbyisten der fossilen Brennstoff- und Chemieindustrie fรผr die Teilnahme an den einzelnen Verhandlungsrunden zum Plastikvertrag registriert haben, sodass bei der INC-5.2 schlieรŸlich 234 Lobbyisten anwesend waren. Diese Schรคtzungen sind wahrscheinlich konservativ, da nur diejenigen Lobbyisten gezรคhlt wurden, die ihre Verbindungen offenlegen.

Wรคhrend die Delegierten Genf verlassen, betonen Beobachter die Notwendigkeit eines klaren und effektiven Prozesses, der sicherstellt, dass die Mehrheit der Lรคnder zusammenarbeiten kann, um das Mandat zu erfรผllen, das sie in die Schweiz gebracht hat โ€“ nรคmlich die Welt und zukรผnftige Generationen vor Plastikverschmutzung zu schรผtzen. In den letzten zehn Tagen hat sich eine Mehrheit der Lรคnder auf weitere Schlรผsselelemente fรผr einen wirkungsvollen Vertrag geeinigt und einen schwachen Vertragstext abgelehnt; nun mรผssen sie ihre Worte in kollektives und entschlossenes Handeln umsetzen. Unterdessen geht der Kampf gegen die Plastikverschmutzung weltweit in verschiedenen Formen weiter. An vorderster Front stehende Gemeinden gehen โ€“ auch mit Rechtsmitteln โ€“ gegen schรคdliche Anlagen und Praktiken wie die Produktion und Expansion der Petrochemie, die Verbrennung von Abfรคllen und den Abfallkolonialismus vor. NGOs und Gemeinden unterstรผtzen gemeinsam mit lokalen Behรถrden und (kleinen) Unternehmen strenge Regulierungsrahmen auf nationaler und lokaler Ebene und setzen gleichzeitig Zero-Waste-Lรถsungen um, darunter Wiederverwendungs- und Nachfรผllsysteme, um den Weg in eine Zukunft ohne Plastikverschmutzung zu ebnen.

Die letzten 24 Stunden

Der Verhandlungsprozess INC-5.2 war von vielen Mรคngeln und anhaltenden Herausforderungen geprรคgt, wie die รผberraschende Erklรคrung des INC-Vorsitzenden kurz vor Mitternacht am vermeintlich letzten Verhandlungstag zeigte โ€“ nach stundenlangen Verzรถgerungen, die Minister, Delegierte und Beobachter gleichermaรŸen warten und im Unklaren lassen mussten โ€“, in der er ankรผndigte, dass die Sitzung bis zu einem โ€žnoch festzulegendenโ€œ Zeitpunkt am folgenden Tag vertagt werde. Die Plenarsitzung wurde um 5:30 Uhr morgens mit nur kurzer Vorankรผndigung wieder aufgenommen, was fรผr die kleinen Delegationen aus dem Globalen Sรผden eine besondere Belastung darstellte. Der Vorsitzende bemerkte auch, dass die Sitzung nach den Beitrรคgen der Beobachter vertagt werden wรผrde, tat dies dann aber doch nicht โ€“ und setzte damit den Trend der begrenzten Beteiligung von Zivilgesellschaft, Wissenschaftlern, Mรผllsammlern und indigenen Vรถlkern wรคhrend der gesamten Verhandlungen fort.


Mitglieder von Break Free From Plastic reagieren auf das Ende des Plastikvertrags INC-5.2:

Fabienne McLellan, Geschรคftsfรผhrerin von OceanCare (Schweiz), sagte:

โ€žTrotz des enttรคuschenden Ergebnisses haben diese Verhandlungen sowohl das Beste als auch das Schlechteste der multilateralen Diplomatie gezeigt. Wir wurden Zeugen leidenschaftlicher Bemรผhungen von รผber 120 Lรคndern โ€“ darunter fortschrittliche Staats- und Regierungschefs wie Kolumbien, Panama, Fidschi, GroรŸbritannien und die EU โ€“, die sich trotz des enormen Drucks der petrochemischen Staaten fรผr wissenschaftlich fundierte MaรŸnahmen einsetzten. Der Prozess selbst รคhnelte eher den Klimakonferenzen der COP als traditionellen Umweltabkommen, mit dem gleichen heftigen Widerstand von Seiten der Interessengruppen, aber auch einer bemerkenswerten Entschlossenheit der Mehrheit, echte MaรŸnahmen voranzutreiben. Ermutigend ist, dass dadurch Koalitionen gebildet und das globale Bewusstsein fรผr die Plastikverschmutzung auf eine Weise geschรคrft wurde, wie wir es noch nie zuvor gesehen haben.โ€œ

Larisa Orbe, Acciรณn Ecolรณgica Mรฉxico (Mexiko), sagte:

โ€žOrganisationen, die tรคglich die Auswirkungen der Plastikverschmutzung auf Gemeinden und die Natur sehen, werden nicht aufgeben. Wir werden weiterhin fรผr eine plastikfreie Welt kรคmpfen, indem wir in unseren Lรคndern MaรŸnahmen zum Schutz der Umwelt fรถrdern, und wir sind bereit, unsere Regierungen weiterhin dabei zu unterstรผtzen, sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Die letzten Jahre waren fรผr die Organisationen, die die Verhandlungen verfolgt haben, eine groรŸartige Lernerfahrung. Wir sind bereit, weiter zu kรคmpfen und Fortschritte zu erzielen, damit zukรผnftige Generationen aller Lebewesen in einer Welt ohne Plastik leben kรถnnen.โ€œ

Jo Banner, Mitbegrรผnder von The Descendants Project (USA), sagte:

โ€žObwohl die aktuelle Verhandlungsrunde zur Ausarbeitung eines Abkommens gegen Plastikverschmutzung gescheitert ist, ist sie ein Schritt vorwรคrts auf dem Weg zur Entwicklung eines Instruments, das die am stรคrksten betroffenen Gemeinden schรผtzen wird. Gemeinden in der Nรคhe von Industrieanlagen, wie meine in Louisianas โ€žCancer Alleyโ€œ, leiden enorm unter der Gewinnung und Produktion von Plastik. Es ist ermutigend zu sehen, dass die Mehrheit der Lรคnder unseren Begehren Gehรถr schenkt und sich gegen die ร–lstaaten wehrt, die uns mit Mรผll รผberschรผtten und mit giftigen Chemikalien ersticken wollen, indem sie sich weiterhin fรผr die Kunststoffproduktion einsetzen. Dagegen kรคmpfen die von Umweltverschmutzung betroffenen Gemeinden weiter und sind mehr denn je entschlossen, an der Erreichung eines wirksamen Abkommens mitzuwirken. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Mitgliedstaaten ihren Beitrag leisten. Unsere Bewegung wird nur noch stรคrker werden, wenn wir weiterhin mit Wissenschaftler*nnen, Finanzexpert*innenen, indigenen Wissensinhaber*innen und anderen Vorkรคmpfer*innen zusammenarbeiten und ein Ende der Kunststoffproduktion fordern. Es ist an der Zeit, die Ketten der modernen Sklaverei des Kunststoffs zu sprengen und die Gemeinden zu befreien, die schon viel zu lange mit der Aufopferung ihrer Menschenrechte leben mรผssen.

Pui Yi Wong, Forscherin beim Basel Action Network (Malaysia), sagte:

โ€žDieser Verhandlungsprozess bei den INCs zum Plastikabkommen ist grundlegend fehlerhaft. Seit mehr als zwei Jahren werden dieselben Argumente wiederholt, ohne dass eine Einigung in Sicht ist. Wir sollten keine weitere wertvolle Zeit und Ressourcen verschwenden, indem wir dasselbe tun und ein anderes Ergebnis erwarten. Der Prozess muss geรคndert werden, einschlieรŸlich der Erwรคgung einer Abstimmung zur Entscheidungsfindung. Die Plastikkrise verschรคrft sich von Sekunde zu Sekunde. Fรผr den Globalen Sรผden ist es wichtig zu wissen, dass weiterhin Millionen Kilogramm Plastikmรผll in Lรคnder mit niedrigem Einkommen exportiert werden, was deren nationale Abfallentsorgungssysteme รผberfordert. Mehrere Lรคnder des Globalen Sรผdens hatten gefordert, dass alle Exporte von Plastikmรผll im Rahmen des Vertragsabkommens vorab gemeldet und genehmigt werden mรผssen, aber ihre Forderungen wurden von anderen Mitgliedstaaten ignoriert. Dies, zusammen mit der fehlenden Transparenz รผber Chemikalien und der Verweigerung der Abschaffung gefรคhrlicher Chemikalien, setzt die Empfรคngerlรคnder und -gemeinden ernsthaften Gefahren aus.โ€œ

Rico Euripidou, Chemikalien und Kampagnenunterstรผtzung, groundWork South Africa (Sรผdafrika), sagte:

โ€žPlastik schadet der Gesundheit in seinem gesamten Lebenszyklus. Insbesondere รผber die Chemikalien, die Kunststoff hinzugefรผgt werden, um ihm die gewรผnschten Eigenschaften zu verleihen, gibt es zahlreiche wissenschaftlichen Beweise fรผr die Gesundheitsschรคden durch Kunststoff. Um die schรคdlichsten dieser Chemikalien, die routinemรครŸig Kunststoff und Kunststoffprodukten zugesetzt werden, anzugehen, mรผssen die Rรผckverfolgbarkeit und Nachverfolgung dieser Chemikalien neben Elementen zur Messung der Gesundheitsschรคden in dem kรผnftigen Vertrag eine zwingende Voraussetzung sein.โ€œ

Weitere Reaktionen von BFFP-Mitgliedern und Verbรผndeten (einschlieรŸlich weiterer Lรคnder und Sprachen) werden hier hinzugefรผgt: FINAL – End of INC-5.2 Media Quotes Sheet