Bewertung des Koalitionsvertrags von Exit Plastik
Einseitige Prioritäten: Wirtschaft vor Umwelt und Gesellschaft
Der von CDU und SPD verabschiedete Koalitionsvertrag lässt mit seiner starken Fokussierung auf wirtschaftliche Belange und einem klassisch neoliberalen Ansatz viele wichtige Themen, die für Mensch und Umwelt bedeutsam sind, außer Acht. Die Wirtschaft und Industrieinteressen stehen über allem, ungeachtet der Tatsache, dass ein gesunder Planet die Voraussetzung für unser Leben und Wirtschaften ist.
Im Hinblick auf die offensichtlichen großen gesellschaftlichen und ökologischen Krisen zeigt er zu wenig Ambition, sich deren Komplexität zu stellen und nach nachhaltigen und gemeinschaftlichen Lösungswegen zu suchen. Bereits in der Präambel werden weder Umwelt- noch Klimaschutz als Schwerpunkte der Koalition genannt. Auch die Plastikkrise entbehrt jeglicher gesonderten Beachtung. Dies ist ein enormer politischer Rückschritt. An Stelle von gangbaren echten Lösungen präsentiert die neue Regierung nur technische und industriefokussierte Ansätze.
Technologischer Irrweg in der Kreislaufwirtschaft
Hinsichtlich Deutschlands Weg zur Kreislaufwirtschaft setzt der Koalitionsvertrag, statt auf langlebige und wiederverwendbare Produkte, auf Recycling und „Technofixes“. Diese technologischen Ansätze sind jedoch unausgereift, kostspielig und mit hohen Risiken für Mensch und Natur verbunden. So ist vorgesehen, fragwürdige Technologien wie chemisches „Recycling“ zu fördern, anstatt vorrangig mit echten Lösungen, die den Ressourcenverbrauch bereits in der Produktion reduzieren, eine nachhaltige, soziale und schadstofffreie Kreislaufwirtschaft aufzubauen. Zu solchen Lösungen gehört ein auf Langlebigkeit, Wiederverwendung, Reparaturfähigkeit und hochwertiges Recycling ausgerichtetes Produktdesign sowie der Ausbau von Unverpackt-Angeboten, Sharing- und Mehrwegsystemen. Der Koalitionsvertrag formuliert das Ziel, den Primärrohstoffverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren, jedoch fehlen die konkreten Vermeidungsmaßnahmen, die dafür notwendig sind.
Klimapolitik im Dienst der Industrie
Dieses industriefreundliche Muster setzt sich auch beim Klimaschutz fort: Um „Industrieland zu bleiben“, setzt der Koalitionsvertrag zur Erreichung der Klimaneutralität und zur Ergänzung des Ausbaus erneuerbarer Energien vorrangig auf umstrittene Technologien wie CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) und Nutzungstechnologien (CCU) sowie die CO2-Bepreisung. Dies gleicht einem Freifahrtschein für die emmissionsreiche fossile Chemie- und Plastikindustrie. Statt den Umbau zu einer resilienten Wirtschaft voran zu treiben und Projekte und Wirtschaftsweisen zu fördern die CO2 einsparen, zukunftsfähig und sozial gerecht sind, zementiert der Koalitionsvertrag den Status-Quo des linearen Wirtschaftens auf Kosten der menschlichen Gesundheit, des Klimas und der Umwelt.
Chemikalienpolitik ohne Schutzambition
Eine liberale Chemikalienpolitik zur Förderung des „Chemiestandortes Deutschland“ stellt Industrieinteressen zudem über den Schutz von Gesundheit und Umwelt vor schädlichen Chemikalien, indem sie u.a. auf einen risikobasierten Ansatz setzt und Verbote gefährlicher Stoffgruppen, wie die häufig in Plastik enthaltenen PFAS, ablehnt. Problematisch dabei ist einerseits die Ambitionslosigkeit der durch die künftige Regierung verfolgten Politik. Andererseits suggerieren die gewählten Formulierungen, dass ein undifferenziertes Totalverbot von Chemikalien drohe oder die Aushebelung des risikobasierten Ansatzes auf EU-Ebene. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der risikobasierte Ansatz greift jedoch häufig zu kurz, sodass ein gefahrenbasierter Ansatz nötig ist, um Gesundheit und Umwelt effektiv vor schädlichen Chemikalien zu schützen.
Bürokratieabbau als Gefahr für den Schutz von Verbraucher:innen
Auch der im Koalitionsvertrag vorgesehene Abbau von Berichtspflichten und Bürokratie ist kritisch zu betrachten: Als Maßnahme zur Entlastung der Industrie propagiert, kann sie zu einer Einschränkung der Transparenzpflichten und damit zu einer Einschränkung des Schutzes von Verbraucher:innen und deren informierten Entscheidungen führen.
FAZIT: Rückwärtsgewandte Politik mit wenigen Hoffnungsfunken
Zu hoffen bleibt dabei nur, dass die vielen Leerstellen und Interpretationslücken im Koalitionsvertrag Raum lassen, einige wahrhaft fortschrittliche Maßnahmen umzusetzen und so auch die dringend benötigte #Plastikwende voranzubringen.