Dienstag, 26. November, 2024

INC-5: Verhandlungen für ein globales Plastikabkommen in Busan, Republik Korea. Die wichtigsten Erkenntnisse von heute.

Wir haben die folgenden positiven (✅) und negativen (❌) Punkte beobachtet:

✅Ambitionierte Stimmen in den verschiedenen Verhandlungsgruppen forderten die Einführung strenger rechtlicher Verpflichtungen und die Einbeziehung des gesamten Lebenszyklus von Plastik, einschließlich Maßnahmen zur Reduzierung der Plastikproduktion, in das Abkommen.

✅In Gruppe 1 (Chemikalien, Beschaffung und Produkte) wurde Wiederverwendung von mehreren Ländern positiv erwähnt.  Einige Länder wollen ihre Wiederverwendungs- und Reparatur- Politik/Richtlinien verstärken und systemische Maßnahmen ergreifen.

✅In Gruppe 2 (Kunststoff-Abfallwirtschaft, Emissionen und Freisetzungen, bestehende Kunststoffverschmutzung und Just Transition) betonten mehrere Delegierte die Bedeutung von Maßnahmen für ein Just Transition und nahmen positiv Bezug auf das Basler Übereinkommen und eine umweltgerechte Abfallwirtschaft. Dies deutet darauf hin, dass der Text die bestehenden Regelungen zum Abfallhandel ergänzen könnte.

✅In Gruppe 3 (Finanzen und Mittel zur Umsetzung) sprachen sich einige Länder für einen neuen zweckgebundenen Fonds aus, der Finanzströme aufeinander abstimmt und über einen Finanzierungsmechanismus verfügt, der Gebühren für Hersteller von Primärpolymeren und Plastik  erhebt.

✅In Gruppe 4 (Ziel, Geltungsbereich, Grundsätze und Präambel) betonten mehrere Mitgliedstaaten die Notwendigkeit von Bestimmungen zu Menschenrechten, indigenen Völkern und lokalem Wissen, Biodiversität und Ökosystemen.

✅Die indonesische Jugendaktivistin Aeshnina Azzahra Aqilani überreichte der EU-Delegierten Sarah Nelen einen Brief, in dem sie forderte, dass Länder mit hohem Einkommen den Export von Plastikmüll in Länder mit niedrigem Einkommen einstellen.

 Anstatt zu konkreten Verhandlungen überzugehen, wurde zu viel Zeit damit verbracht, den Geltungsbereich des Vertrags in Frage zu stellen,  der bereits in der UNEA-Resolution 5/14 klar definiert ist. Darüber hinaus wurden Textpassagen hinzugefügt, über den keine Einigung erzielt wurde.

 In Gruppe 1 (Chemikalien, Versorgung und Produkte) sprachen sich Länder mit geringen Ambitionen für freiwillige Ansätze anstelle strenger rechtlicher Verpflichtungen aus. Sie beharrten auch darauf, dass der Lebenszyklus von Kunststoffen mit dem Produktdesign bzw. der Produktneugestaltung beginnt, um Maßnahmen zur Reduzierung der Kunststoffproduktion auszuschließen.

In Gruppe 2 (Kunststoff Abfallwirtschaft, Emissionen und Freisetzungen) gab es kein genaues Verständnis des Begriffs „Just Transition“, und die Diskussionen wurden zusätzlich dadurch beeinträchtigt, dass ein Delegierter die Relevanz der Einbeziehung von Waste-Picker*innen in diesem Zusammenhang in Frage stellte. Auch im Bereich der Abfallwirtschaft wurden kaum Fortschritte erzielt, obwohl es sich hierbei um ein Thema handelt, bei dem ein breiter Konsens besteht. 

 In Gruppe 3 (Finanzen) forderten einige Länder, dass sich der Finanzierungsmechanismus auf Abfallbewirtschaftung, Förderung von Recycling und “Plastik Credits” konzentrieren soll.   Diese Mechanismen reichen jedoch  nicht aus, um das Problem der Plastikverschmutzung zu lösen.

❌ In Gruppe 4 (Ziel, Geltungsbereich, Grundsätze und Präambel) erklärte ein Delegierter, dass der Geltungsbereich des Vertrags keine Plastikpolymere umfassen sollte. Ein anderer Delegierter wollte Formulierungen streichen, die die menschliche Gesundheit vor den schädlichen Auswirkungen von  Plastik  schützen.

❌ Der Platzmangel in den Verhandlungsräumen schränkte den Zugang für Delegierte und Beobachter*innen stark ein. Durch die eingeschränkte Kapazität einiger Räume hatten teilweise nur 3 % der registrierten Beobachter*innen Zugang , was die Grundsätze der Transparenz und Inklusion stark untergrub.

INC-5 Loser und Champions des Tages

Am Ende eines jeden Verhandlungstages benennen wir einen Spielverderber und/oder einen Champion. Diese Auszeichnung spiegelt unsere Meinung über die Staaten wider, die im Laufe eines jeden Tages am meisten dazu beigetragen haben, die Ziele des Vertrags zu schwächen oder seine Ergebnisse zu stärken.

Spielverderber des Tages: Republik Korea

Das Gastgeberland der INC-5 zeigte zwar Ambitionen, indem es sich für Maßnahmen zur Reduzierung der Produktion im Vertragstext einsetzte, aber seine Gastfreundschaft als Gastgeberland der INC-5 ist nicht sehr überzeugend. Die Republik Korea hat es versäumt, genügend Raum für eine sinnvolle Teilnahme an den Verhandlungen zur Verfügung zu stellen – sowohl Vertreter*innen der Mitgliedstaaten als auch registrierte Beobachter*innen sehen sich gezwungen, an den Kontaktgruppensitzungen in kleinen, überfüllten Räumen mit schlechter Internetverbindung und fehlenden Sitzmöglichkeiten teilzunehmen. Die Räume bieten Platz für maximal 60 Beobachter*innen (was nur 3 % der registrierten Beobachter*innen entspricht). Das Gastgeberland hätte dies vorhersehen können.  Diese Umstände führten dazu, dass viele Beobachter*innen, darunter auch Mitglieder des Ausschusses für indigene Völker, keinen Zugang zu den Verhandlungsräumen hatten. Auch die Delegierten einiger Mitgliedsstaaten mussten im hinteren Bereich des Raumes stehen, obwohl lokale koreanische Fürsprecher mehrfach darum gebeten hatten, die Situation zu korrigieren. Die Regierung der Republik Korea hat es damit versäumt, die nötige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, um die Prinzipien der Transparenz und Inklusivität zu wahren, und hat so eine stressige Arbeits-Atmosphäre geschaffen, die für Verhandlungen mit solch hoher Bedeutung ungeeignet ist.

Champion des Tages: Afrika-Gruppe, GRULAC (Gruppe Lateinamerika und Karibik), die Cookinseln, Fidschi und die Föderierten Staaten von Mikronesien.

Die heutigen Champions sind die Befürworter einer schriftlichen Erklärung, in der sie sich für die Einrichtung eines unabhängigen neuen, angemessenen und zugänglichen Finanzierungsmechanismus einsetzen, um Entwicklungsländer bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem vorgeschlagenen Vertrag zu unterstützen. Der vorgeschlagene Finanzierungsmechanismus, der von den Industrieländern finanziert werden soll, würde dazu beitragen, Umweltgerechtigkeit und -gleichheit zu fördern, in der Erkenntnis, dass die Krise der Plastikverschmutzung zunächst in der historischen und übermäßigen Produktion und Verwendung von Plastik durch die industrialisierte Welt begründet ist.  Er erkennt auch die Notwendigkeit solider Umsetzungsmittel an, um verbindliche Verpflichtungen über den gesamten Lebenszyklus von Plastik hinweg zu ermöglichen.

Lösungen  auch außerhalb der Verhandlungssäle 

Außerhalb der Verhandlungsräume forderte eine Vielzahl von Stimmen die Aufnahme von vorgelagerten („upstream“) Maßnahmen in den Vertragstext. Auf Veranstaltungen der Plastic Pollution Coalition und von Greenpeace wurden mehr als 350 „Champions of Change“-Unternehmen für die Unterzeichnung eines offenen Briefes gefeiert, in dem eine Obergrenze für die Plastikproduktion, ein Ausstieg aus Einwegplastik, Ziele für die Wiederverwendung und Gerechtigkeit gefordert wurden. In einem anderem Forum tauschten Vertreter*innen indigene Völker, waste-Picker*innen, Frontline-Communities und andere betroffene Gruppen ihr Fachwissen darüber aus, wie die INC-5 eine Gelegenheit bieten kann, Richtlinien für eine „Just Transition“ in den Vertrag aufzunehmen. Auf einer anderen Veranstaltung betonten „mission-based recyclers“, dass das Abkommen auf der Abfallhierarchie basieren sollte – zuerst Reduktion, dann Wiederverwendung und erst dann Recycling. Schließlich sprachen Unternehmensvertreter*innen von Lush (Kosmetikmarke) und Vessel (einem Unternehmen für Mehrweg) darüber, wie sie den geringen Plastikverbrauch bereits in die Tat umsetzen. Diese fortschrittlichen Stimmen standen jedoch in krassem Gegensatz zu dem auffälligen Schweigen der Business Coalition zur Reduzierung der Kunststoffproduktion.

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