Freitag, 29. November, 2024

INC-5: Verhandlungen für ein globales Plastikabkommen in Busan, Republik Korea. Die wichtigsten Erkenntnisse von heute.

Wir haben die folgenden positiven (✅) und negativen (❌) Punkte beobachtet:

✅ Der Tag war informellen Treffen der Länder-Delegierten gewidmet. Der Vorsitzende gab bekannt, dass die Verhandlungsgruppen ihre Sitzungen beendet haben, und legte einen neuen Textvorschlag für die Verhandlungen vor (Non-Paper Version 4).

✅Der Vorschlag des Vorsitzenden enthält zwar mehre unklare und nicht vereinbarte Textpassagen (mehr dazu in den negativen Punkten), enthält aber immer noch Formulierungen zur Produktion (“supply”) mit einem globalen Zielwert, zu besorgniserregenden Chemikalien, zu Finanzierungsmechanismen, Just Transition, Waste Pickern und mehr.

✅ Dank der Unterstützung von mehr als 100 Ländern für Maßnahmen zur Verringerung der Plastikproduktion  ist dies das erste Mal, dass ein vom Vorsitzenden vorgelegtes Dokument klar und deutlich ein globales Ziel zur „Reduzierung der Produktion von primären Plastikpolymeren auf ein nachhaltiges Niveau“ enthält.

✅Mehr als 150 Beobachterorganisationen und Rechteinhaber*innen veröffentlichten eine Erklärung, in der sie die Staats- und Regierungschefs aufforderten, in den letzten Stunden der Verhandlungen „mutig zu handeln und keine Kompromisse einzugehen“.  Der OHCHR erinnerte die Delegierten daran, dass „die Uhr tickt“, und forderte ein Abkommen  zur Begrenzung der Produktion, zum Verbot giftiger Chemikalien, zur Gewährleistung einer Just Transition  und vieles mehr.

✅ Ambitionierte Länder scheinen bereit zu sein, ein starkes Abkommen zu verteidigen.  Panama erklärte auf einer Pressekonferenz zusammen mit Ungarn, Fidschi, Mikronesien, der EU und Frankreich, dass es bereit sei, notfalls für „ein Land, eine Stimme“ (‘one country, one vote’) einzutreten, und forderte die weniger ambitionierten Länder auf, sich entweder in der Mitte zu treffen oder aus dem Weg zu gehen.  Die EU-Präsidentschaft erklärte, sie sei bereit, ihre Komfortzone zu verlassen, um ein ehrgeiziges Abkommen zu erreichen. 

❌Im neuen Text-Vorschlag des Vorsitzes (Non-Paper Version 4) sind immer noch zu viele Optionen im Gespräch, von denen viele unklar und vage formuliert sind.  Dies macht es unmöglich, das Endergebnis des zukünftigen Abkommens vorherzusagen. 

❌Die aktuelle Präambel enthält einen Absatz über die wichtige Rolle von Plastik  in der menschlichen Gesellschaft, der einen pauschalen Rahmen schafft, welcher  Fortschritt und Ambitionen des Abkommens untergraben könnte.

❌Obwohl die UNEA-Resolution 5/14 bereits einen umfassenden Geltungsbereich für den Vertrag festlegt, bringt der Vorschlag des Vorsitzenden eine neue Option mit pauschalen Ausnahmeregelungen ein, insbesondere für Rohstoffe und das Gesundheitswesen.

Durch die Abschwächung vieler „soll/muss“ zu „sollte“ oder „gegebenenfalls“ werden im Vorschlag des Vorsitzenden viele obligatorische Maßnahmen zu optionalen Maßnahmen.

Die Bestimmung zur Produktion (“supply”) fördert keine sofortigen Übergangsmaßnahmen, die sich mit der Expansion der Petrochemie befassen, und es fehlen nationale Ziele zur Verringerung der Produktion.

❌Der Begriff „Emissionen“ wurde aus dem Text gestrichen und durch „Freisetzungen“ und „Leckagen“ ersetzt, was ein klares Zugeständnis an die Ländern mit geringen Ambitionen darstellt – mit Ausnahme von Vorschriften zu Emissionen in der Herstellungsphase.

Dem Text fehlen eine erste Liste von Produkten und gefährlichen Chemikalien sowie direkte Verpflichtungen, Kriterien und Transparenzbestimmungen.

❌Wir sehen schwache Formulierungen in Bezug auf Menschenrechte, insbesondere für indigene Völker und betroffene Gemeinschaften, und einen Mangel an Maßnahmen für den Handel zum Schutz der Länder, die Abfälle aufnehmen.

Obwohl “Plastic Credits” und “Plastic Bonds” (Anleihen) nicht ausdrücklich erwähnt werden, lässt eine als Innovation getarnte Formulierung die Tür für Scheinlösungen offen.

Der aktuelle Textentwurf enthält weder eine Definition noch ein Mandat für Wiederverwendung oder die Notwendigkeit von ungiftigen und plastikfreien Ersatzstoffen.

Der jüngste Vorschlag enthält keine Maßnahmen zu Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit, Information und Verbraucherschutz. Dies ermöglicht es der Kunststoffindustrie, die Verantwortung auf die Verbraucher abzuwälzen. 

INC-5 Loser und Champions des Tages

Am Ende eines jeden Verhandlungstages benennen wir einen Loser und einen Champion. Diese Auszeichnung spiegelt unsere Meinung über die Staaten wider, die im Laufe eines jeden Tages am meisten dazu beigetragen haben, die Ziele des Vertrags zu schwächen oder seine Ergebnisse zu stärken.

Loser des Tages: Iran

Die Katze ist nicht nur aus dem Sack – sie legt einen richtigen Stepptanz hin. Seit Beginn dieses Prozesses hat der Iran den Geltungsbereich des Plastikabkommens in Frage gestellt und beharrt darauf, dass die Plastikverschmutzung lediglich ein Problem der Abfallwirtschaft sei. Dabei ignoriert er geschickt die (Rohnstoff-)Gewinnung und Produktion – entscheidende Abschnitte im Lebenszyklus von Plastik.  Dies kommt nicht völlig unerwartet. Der Iran hat offiziell vorgeschlagen, Rohstoffe wie Kohlenwasserstoffe und ihre Derivate (oder, wie wir sie gerne nennen, fossile Brennstoffe und Petrochemikalien) und primäre Kunststoffpolymere aus dem Vertrag auszuklammern!  Ein ziemlich kühner Vorschlag aus einem Land, das zu den größten Verursachern von Treibhausgasemissionen gehört.

Champion des Tages: Die mehr als 100 Länder, die Maßnahmen zur Erreichung eines globalen Reduktionsziels für primäre Kunststoffpolymere unterstützen

Mehr als  100 Länder unterstützen verbindliche Maßnahmen, um ein globales Reduktionsziel für primäre Kunststoffpolymere zu erreichen und damit das Mandat der UNEA-Resolution 5/14, die Bekämpfung der Plastikverschmutzung entlang des gesamten Lebenszyklus aufrechtzuerhalten.  Wir sprechen diesen Ländern unsere Anerkennung dafür aus, dass sie in diesem kritischen Moment der Verhandlungen die dringende Notwendigkeit erkannt haben, die Plastikproduktion weltweit zu reduzieren, um die Krise der Plastikverschmutzung zu lösen. Mögen sie den Willen und den Mut aufbringen, ihren Vorschlag zu Ende zu bringen.

Forderungen nach Priorität für Wiederverwendungslösungen und menschliche Gesundheit

Am Rande der INC-5-Verhandlungen werden die Diskussionen über Mehrweg, Wiederverwendung und Wiederbefüllung fortgesetzt, deren Befürworter auf Vertragsbestimmungen hoffen, die weltweit ein günstiges Umfeld für Mehrwegsysteme schaffen.  Bei der Veranstaltung zu Wiederverwendung und Mehrweglösungen wurde die Notwendigkeit diskutiert, Übergangsziele für Wiederverwendung/Mehrweg, globale Regelungen sowie zugängliche und integrative Standards zu definieren.  Wiederverwendungs- und Mehrweglösungen aus Afrika, Europa, Lateinamerika, Asien und den USA wurden vorgestellt und die Vorteile von Anreizen für die Wiederverwendung aufgezeigt. 

In einer anderen Veranstaltung erläuterten Gesundheitswissenschaftler, wie Plastik in den menschlichen Körper gelangt und die Gesundheit gefährdet. Bei der Vorführung des Kurzfilms Plastic & Brains diskutierten Experten über Mikroplastik, das über die Nase ins menschliche Gehirn gelangt, und über Chemikalien, die aus Kunststoffverpackungen in Lebensmittel übergehen.

Globales Plastikabkommen kann und muss Basler Konvention ergänzen

Das Basel Action Network (BAN), die Bewegung Break Free from Plastic (BFFP) und die ECOTON Foundation hielten heute eine Podiumsdiskussion ab, um darauf hinzuweisen, dass der globale Handel mit Plastikabfällen ein Symptom der Überproduktion von Plastik ist. Die Teilnehmenden diskutierten über die treibenden Kräfte hinter dem Abfallhandel, darüber, wie der Mythos der Kreislauffähigkeit von Plastik  ein partielles und ineffizientes Recycling in weniger industrialisierten Volkswirtschaften aufrechterhält, und über die Auswirkungen von “Müllkolonialismus” (WasteColonialism) auf lokale Gemeinschaften, insbesondere auf Kinder und Jugendliche.

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