Konsequente Förderung und Priorisierung von Mehrwegsystemen in allen Konsumbereichen sowie verbindlich auf Mehrweg ausgerichtete und einwegplastikfreie öffentliche Beschaffung entlang der kompletten Lieferkette.

Mehrwegsysteme sind gelebte Abfallvermeidung: Wird ein Produkt oder eine Verpackung wiederverwendet, müssen keine Ressourcen für die Neuherstellung aufgewendet werden. Vor allem im Verpackungsbereich ist das ungenutzte Umweltentlastungspotential diesbezüglich enorm.

Für Verkaufs-, Versand- und Transportverpackungen gibt es viele Mehrwegalternativen, die gefördert und in der Breite eingesetzt werden müssen (siehe auch Forderung 9). Ein bereits gut etabliertes Beispiel ist das deutsche Mehrwegsystem für Getränkeverpackungen, das als Vorbild für ganz Europa dient. Allerdings sinkt die Mehrwegquote seit Jahren immer weiter ab, zugunsten von Einwegplastikflaschen und Dosen. Um das umweltfreundliche Mehrwegsystem zu schützen und weiter auszubauen, muss die im Verpackungsgesetz verankerte Mehrwegquote von 70 % konsequent umgesetzt werden. Klare Vorgaben, wie z.B. ein Stufenplan und ein frühzeitig wirkendes Sanktionssystem, sind hier notwendig, um ein Erreichen der Mehrweg-Zielquote bis 2021 sicherzustellen. Ist erkennbar, dass dies nicht gelingt, ist eine zusätzliche, nicht zurück zu erstattende Einwegabgabe zusätzlich zum Pfand einzuführen.

Auch für andere Lebensmittelverpackungen gibt es bereits funktionierende Mehrwegsysteme: Milch und Joghurt werden seit Jahrzehnten in Mehrwegglas angeboten und auch für Honig gibt es regionale Mehrwegkreisläufe. Vor allem bei To-Go-Verpackungen, Verpackungen von Obst und Gemüse oder lange haltbaren Lebensmitteln besteht großes Potential für Mehrwegalternativen. Mehrweg-Pfandsysteme für Coffee-to-go-Becher und Mehrwegboxen im Supermarkt sind erste erfolgversprechende Ansätze, die sich in diesem Bereich etablieren.

Große Abfallmengen entstehen allerdings vor allem auch im Business-to-Business-Bereich und durch den zunehmenden Online-Handel. Mehrwegtransportkisten, Mehrwegversandboxen, Mehrwegtrays und Mehrwegpaletten werden bisher nur vereinzelt eingesetzt. Damit sich Mehrwegsysteme flächendeckend etablieren können, müssen sie durch geeignete Rahmenbedingungen gefördert werden. Hierzu gehört auch der Einsatz von finanziellen Lenkinstrumenten, wie beispielsweise einer Abgabe auf Wegwerfartikel, gemäß einer konsequenten EPR (siehe Forderung 2). Die rechtlich verbindliche Festlegung von Wiederverwendungsquoten muss zudem konsequent weitergedacht und auf die Bereiche der Verkaufs-, Transport- und Versandverpackungen ausgeweitet werden (siehe auch Forderung 9).

Flächendeckende Systemlösungen sind in allen Bereichen erforderlich. Über Getränkeverpackungen hinaus sollte deswegen für Lebensmittelverpackungen und andere Verkaufsverpackungen eine Wiederverwendungsquote von 15 % bis zum Jahr 2025 und 30 % bis zum Jahr 2030 festgelegt werden. Für Versandverpackungen sollte eine Wiederverwendungsquote von 30 % ab 2025 und 50 % Prozent ab 2030 gelten und für Transportverpackungen von 70 % ab 2025. Der öffentlichen Hand kommt bei der Abfallvermeidung eine besondere Rolle zu. Als nachfragendende Akteurin und Normgeberin kann sie maßgeblich auf die Nutzung von Einwegkunststoffprodukten und deren Gestaltung Einfluss nehmen, Mehrweglösungen stärken und durch konsequente Nutzung von wiederverwendbaren Produkten das Abfallaufkommen vermindern (siehe auch Forderung 13). Deshalb sollten im Rahmen der öffentlichen Beschaffung Einwegprodukte grundsätzlich verboten werden, wenn alternativ Mehrweglösungen verfügbar sind. Ansonsten sollten wiederverwertbare Produkte mit Anteilen aus Recyclingmaterial verpflichtend bevorzugt werden. Mehrweglösungen, zum Beispiel bei Straßenfesten und anderen Großveranstaltungen, sind grundsätzlich zu priorisieren.

Aktuell wird dies in der Praxis durch verschiedene Faktoren behindert. Die ökonomische Beurteilung erfolgt häufig auf Basis des Kaufpreises, eine notwendige Berücksichtigung von Kosten über die gesamte Nutzungsphase (Reparaturen, Verbrauchsmaterialein, Energieverbräuche etc.) oder mögliche Entsorgungskosten findet nicht statt. Somit kommt die ökologische und häufig auch ökonomische Vorteilhaftigkeit von regionalen Produkten, Lieferanten oder alternativer Dienstleistungen in der Beschaffungspraxis nicht zum Tragen.

Die Bundesregierung muss dafür Sorge tragen, dass bspw. die im Rahmen des UBA Forschungsvorhabens Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen zur Forcierung der Berücksichtigung von Umweltkriterien bei der Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand“1 erarbeiteten Empfehlungen und Schulungsmaterialien in allen mit öffentlicher Beschaffung betrauten Bereichen genutzt werden.

Sie muss zudem gewährleisten, dass etablierte Beschaffungskriterien regelmäßig auf Ihre Wirksamkeit zur Steuerung einer Einwegkunststoffe vermeidenden öffentlichen Beschaffung überprüft werden, da durch die kontinuierliche, marktgetriebene Weiterentwicklung von Produkten oder Dienstleistungen möglicherweise neue ökologischere Alternativen für den geplanten Nutzungszweck verfügbar werden.

Das existierende Portal für nachhaltige Beschaffung öffentlicher Auftraggeber http://www.nachhaltige-beschaffung.info beim Beschaffungsamt des Bundesministeriums für Inneres erscheint derzeit wenig geeignet, um eine Einwegkunststoff vermeidende Beschaffung zu forcieren. Es fehlen konkrete Hinweise für Mehrwegalternativen zu Einwegkunststoffprodukten oder zur Berücksichtigung von Rezyklat-Anteilen in Kunststoffprodukten.

Es ist zwingend notwendig, dass allgemeine Standards für eine umweltfreundliche Beschaffung entwickelt werden, die in Folge auch für den privatwirtschaftlichen Sektor als Grundlage dienen. Somit ist die (geplante) Gründung eines Arbeitsausschusses „Öffentliches Beschaffungswesen“ beim Deutschen Institut für Normierungen e.V. zu begrüßen, welcher die Prozesse des europäischen technischen Komitees „Public Procurement“ (CEN/TC 461) in Deutschland fachlich begleitet.

1 UBA 2019