Verbot der Verwendung von primärem Mikroplastik und weiterer gelöster, flüssiger, gel- oder wachsartiger synthetischen Polymere in Produkten mit umweltoffener Anwendung.

In Deutschland gelangen einer Schätzung des Fraunhofer UMSICHT Instituts zufolge jährlich etwa 330.000 Tonnen primären Mikroplastiks aus diversen Quellen in die Umwelt, das entspricht ca. 4 kg pro Person pro Jahr.1 Geschätzt wird, dass etwa 11 % davon Emissionen von Mikroplastik sind, welches gezielt hergestellt und vor allem intendiert genutzt wird.2

In großen Mengen wird gezielt hergestelltes primäres Mikroplastik (Typ A) in Belägen von Sport- und Spielplätzen eingesetzt. Pro Kunstrasenplatz werden beispielsweise rund 120 Tonnen Kunststoffgranulat als Einstreu verwendet, mit einer jährlichen Auffüllung von drei bis fünf Tonnen pro Feld.3 Geht man davon aus, dass etwa die Hälfte der Nachfüllmenge auf die Verdichtung des Granulats zurückgeht und die andere Hälfte auf den Austrag des Granulats in die Umwelt, kommt man auf Mikroplastikemissionen von 1,5 bis 2,5 Tonnen pro Platz und Jahr.

Ein weiteres Beispiel für die intendierte umweltoffene Verwendung von primärem Mikroplastik sind in der Landwirtschaft eingesetzte Nährstoffgranalien. Das in ihnen verarbeitete Mikroplastik soll dazu dienen, Nährstoffe und andere Wirkstoffe über einen gewissen Zeitraum kontrolliert im Boden freizusetzen. Es wird so jedoch auch selbst in die Böden eingetragen.

Hersteller setzen darüber hinaus speziell in Kosmetik- und Körperpflegeprodukten eine Vielzahl (flüssiger, gelöster, wachs- oder gelartiger) synthetischer Polymere ein: Die Liste der Internationalen Nomenklatur für kosmetische Inhaltsstoffe (INCI) umfasst zwischen 16.000 und 21.000 Stoffe, die EU-Datenbank für kosmetische Inhaltsstoffe „CosIng“ verzeichnet insgesamt über 28.000 Stoffe. Die genaue Anzahl der eingesetzten Polymere sowie ihre (akkumulierende) Wirkung sind nicht bekannt; zudem fehlt es an Informationen über weltweit eingesetzte Mengen.4 Weil Kläranlagen diese nicht vollständig aus dem Abwasser rausfiltern können, gelangen diese nahezu ungehindert in die Gewässer und über den Klärschlamm auch auf unsere Äcker.

Frauen verwenden weit mehr Kosmetik- und Körperpflegeprodukte als Männer – bis zu 15 unterschiedliche Produkte täglich.5 Umso größer ist die Gefahr für sie, Produkten mit Mikroplastik ausgesetzt zu sein. In der Schwangerschaft können Mikroplastikpartikel durch die Plazenta zum Fötus gelangen.6

Wir fordern von der Bundesregierung, dass diese leicht vermeidbaren und oftmals bewusst hingenommenen Einträge in die Umwelt durch ein Verwendungsverbot für primäres Mikroplastik und synthetische Polymere in Produkten mit umweltoffener Anwendung verhindert werden. Die eventuellen entsprechenden Alternativen sollten durch unabhängige Institute auf human- und ökotoxikologische Unbedenklichkeit hin überprüft werden und alle Daten aus bestehenden und zukünftigen Bewertungen in vollständiger Transparenz veröffentlicht werden.

Dies bedeutet insbesondere:

  • Verbot des Einsatzes und der Ausbringung von nicht rückholbaren Kunststoffgranulaten in Belägen von Sport- und Spielplätzen (z.B. Kunstrasenplätzen)
  • Verbot des Mikroplastikeinsatzes in landwirtschaftlichen Nährstoffgranalien
  • Vollständiges Verbot des Einsatzes von Mikroplastikpartikeln und synthetischen Polymeren in Kosmetik- und Körperpflegeprodukten sowie bei Produkten im Wasch-, Putz- und Reinigungsmittelbereich unter Anwendung des Vorsorgeprinzips (ohne Untergrenze bei Größen oder Aggregatzustand) und ohne Ausnahme in sämtlichen Produktsegmenten

Die Bundesregierung muss sich aktiv im aktuellen EU-Prozess zum Verbot von bewusst in Produkten hinzugefügtem Mikroplastik einbringen und gewährleisten, dass das Vorsorgeprinzip in der geplanten Beschränkung im Rahmen der Europäischen Chemikalienverordnung REACH konsequent angewendet wird.

Mikroplastikpartikel im Abwasser werden zwar theoretisch mechanisch in Kläranlagen herausgefiltert. Sie reichern sich jedoch im Klärschlamm an und gelangen darüber auf Felder und in die Umwelt. Mit konventionellen Mitteln können Kläranlagen die Mikroplastikpartikel zudem auch nicht vollständig aus dem Abwasser entfernen.7 Die Rückhaltekapazität verschiedener Kläranlagen unterscheidet sich stark.8 Nur ein System mit vierter Klärstufe in Form eines Scheiben-Tuchfilters konnte bisher die Menge der Plastikpartikel im Abwasser um 97 % reduzieren.9 Deshalb fordern wir, dass Hersteller und Inverkehrbringer aller weiteren Produkte, die Mikroverunreinigungen im Abwasser verursachen, zur Finanzierung des Ausbaus von Klärkapazitäten und -stufen kommunaler Klärwerke herangezogen werden, gemäß einer konsequent durchgesetzten EPR (siehe auch Forderung 2).10 An eine Aufrüstung ist insbesondere zu denken, wenn im Einflussbereich der Abwasseranlage Trinkwasser gewonnen wird, das aufnehmende Fließgewässer einen hohen Abwasseranteil trägt, oder besonders hohe Konzentrationen von Mikroplastik hat.

Beim Einsatz von gezielt hergestelltem primärem Mikroplastik in nicht umweltoffenen Bereichen muss, z.B. durch Änderung der Abwasserverordnung für Einleitungen aus Industrie- und Gewerbebetrieben sichergestellt werden, dass die Partikel während der Produktion, des Transports, der Verwendung und der Entsorgung zu keinem Zeitpunkt in die Umwelt gelangen. Auch eine aus Nachhaltigkeitsperspektive sinnvolle Wiederverwendungs-, Recycling- oder Entsorgungsoption muss gegeben sein, um dem Ziel der Kreislaufwirtschaft näher zu kommen.

Weiterhin gilt die Umkehrung der Beweislast für den Antragsteller und transparente Nachweise. Dies betrifft u.a. den Einsatz von polymeren Strahlmitteln, pulverförmigen Polymeren (z.B. Lasersinterpulvern für 3D-Drucker) und Kunststoffpellets (siehe auch Forderung 9).

1 Bertling et al. 2018; Primäres Mikroplastik beinhaltet hier Partikel, die bereits bei der Herstellung erzeugt werden und im Produkt enthalten sind (z.B. Reibpartikel in Kosmetik oder Kunststoffpellets als Halbzeuge sowie Partikel, die durch die Nutzung eines Produkts entstehen, z.B. Abrieb von Fasern aus Textilien oder Abrieb von Reifen. Nicht in dieser Zahl berücksichtigt sind Mikroplastikpartikel, die durch Zerkleinerung oder Verwitterung von Makroplastik (Littering) entstehen, z.B. Plastikmüll in der Umwelt.

2 Ibid.

3 Lassen et al. 2015; Magnusson et al. 2016; Hann & Hogg 2017; Hann et al. 2018

4 Greenpeace o. J.

5 Environment Working Group o. J.

6 De Souza Machado et al. 2018

7 Mintering et al. 2014

8 Leslie et al. 2013; Mintering et al. 2014; Talvitie & Heinonen 2014

9 Mintering et al. 2014

10 UBA 2015