Durchsetzung des Verursacherprinzips (polluter pays principle) entlang der kompletten Wertschöpfungskette durch Einführung und Umsetzung einer ambitionierteren erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) für alle Kunststoffprodukte und -verpackungen.

In der EU-Richtlinie zu Einwegplastik werden der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR – Extended Producer Responsibility) Artikel hinzugefügt, die sich mit Reinigungskosten und Kosten für die Sensibilisierung von Verbraucher*innen1 befassen. So werden bis Ende 2024 Kostenbeiträge von Herstellern gewisser Einwegkunststoffartikel gefordert, für die Sammlung, die Beförderung und die Behandlung dieser Abfälle sowie für Reinigungsaktionen und für Sensibilisierungsmaßnahmen.2 Einbezogen werden hier Hersteller von bestimmten Lebensmittelverpackungen (z.B. für Fast Food und Take-away-Gerichte), Getränkebehältern unter 3 Liter, Ballons, Feuchttüchern, Tabakprodukten (hier ist die Frist bereits Anfang 2023), leichten Kunststofftragetaschen usw. 3

Die EU-Richtlinie ist ein erster Schritt zur Schaffung eines umfassenden Rahmens für die Herstellerverantwortung in der Abfallwirtschaft. Sie ist aber nicht klar und ambitioniert genug, um das Ausmaß der Kunststoffproblematik zu bewältigen und um eine ausreichende Sicherheit für Investitionen in alternative und auf Wiederverwendung ausgelegte Systeme zu schaffen.

Damit die Richtlinie wirksam wird, muss die Umsetzung auf nationaler Ebene erfolgen und

  1. ein klares verbindliches Ziel für die Reduzierung an der Quelle haben, wobei
  2. die Reduktion durch verbindliche EPR unterstützt werden muss – sowohl durch einen finanziellen Beitrag zur Erreichung von Reduktions- und Wiederverwendungszielen als auch durch die Transparenz des Unternehmens.

Eine ernst zu nehmende Herstellerverantwortung gemäß dem Verursacherprinzip, die auch die Inverkehrbringer einschließt, bedeutet die konsequente Internalisierung der Gesundheits-, Klima- und Umweltkosten von Kunststoffprodukten und muss den vollen Lebenszyklus abdecken. EPR beinhaltet, dass Hersteller und Inverkehrbringer eine Verantwortung tragen, nicht nur für die Entsorgung ihrer Produkte, sondern auch für Präventionsmaßnahmen und -ziele zur Vermeidung von Abfällen. EPR beinhaltet auch die Übernahme von Reinigungskosten, sowohl an Land, als auch für Meere und Oberflächengewässer (siehe auch Forderungen 8 und Forderungen 10). Zur EPR gehören das Design und die Erstellung von Vertriebssystemen, die an die lokalen Gegebenheiten angepasst sind und ohne die Nutzung von Wegwerfplastik auskommen (siehe auch Forderung 11). Sie muss die Förderung von Wiederverwendungs- und Pfandsystemen gewährleisten. Außerdem bedeutet sie die Entwicklung von langlebigen und reparaturfähigen Produkten, die auf hochwertiges, sauberes Recycling ausgelegt sind, für die Produktion neuer hochwertiger und sicherer Produkte, ohne den Eintrag chemischer Kontaminanten (siehe auch Forderung 6).

Um das Ende des linearen Wegwerf-Geschäftsmodells und eine tatsächliche Kreislaufwirtschaft zu erreichen, muss das Vorsorgeprinzip sowohl für das Recycling als auch bei der Verwendung von biobasierten Ersatzstoffen strikt angewendet werden. Vor der Vermarktung muss der Produzent durch entsprechende Daten belegen, dass von dem Produkt weder bei der Herstellung noch während und nach Ende der Nutzung irgendeine Gefährdung für Umwelt und Gesundheit ausgeht. Es gilt hier das Prinzip der Umkehr der Beweislast.

Zur EPR gehört die Transparenz über den gesamten Lebenszyklus (siehe auch Forderung 3). Die Rückverfolgung bis zum Rohstoffproduzenten muss gewährleistet und öffentlich nachvollziehbar sein. Transparenz in der Lieferkette beinhaltet die Datenerhebung, die Datenverarbeitung und Datenveröffentlichung über Produktion, Verteilung und Abfallerzeugung für alle Kunststoffprodukte. Die Hersteller und Inverkehrbringer müssen dem Right-to-Know-Prinzip folgend alle Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Reduzierung der Umweltverschmutzung an der Quelle offenlegen, ebenso alle Bemühungen zur Einführung von Wiederverwendungssystemen und zum Recycling, einschließlich der Informationen über gefährliche Stoffe in den Materialien.

Unter gefährliche Stoffe fallen alle Substanzen, die gefährliche Eigenschaften aufweisen und die menschliche Gesundheit oder die Umwelt gefährden können4. Zur Orientierung, wie diese Chemikalien identifiziert werden können, dient das Greenpeace-Detox-Commitment.5 Die Aufstellung und regelmäßige Überprüfung einer entsprechenden Liste mit Substanzen mit gefährlichen Eigenschaften, ist hierbei erforderlich. Beispiele für solche Listen finden sich in den Detox-Commitments6 oder in umfassenden Listen wie die SIN-List von Chemsec7.

1 Die detaillierte Auflistung der Sensibilisierungsmaßnahmen findet sich in Artikel 10 der EU-Einwegkunststoffrichtlinie 2019. Sensibilisierungsmaßnahmen umfassen hierbei insbesondere die Information über wiederverwendbare Alternativen, Wiederverwendungssysteme und Abfallbewirtschaftungssysteme sowie die Auswirkungen von „Littering“ und unsachgemäßer Entsorgung auf die Umwelt und Kanalisation.

2 Ibid., Artikel 8

3 Ibid., Anhang Teil E

4 Die Definition von Substanzen mit gefährlichen Eigenschaften umfasst alle Schadstoffe, die intrinsisch gefährliche Eigenschaften aufweisen: persistent, bioakkumulierend und toxisch („PBT“ = persistent, bioaccumulative and toxic); sehr persistent und sehr bioakkumulierend („vPvB“ = very persistent and very bioaccumulative); krebserzeugend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend („CMR“ = carcinogenic, mutagenic and toxic for reproduction); hormonell wirksame Substanzen („ED“ = endocrine disruptors); sonstige ähnlich besorgniserregende Eigenschaften (nicht bloß solche, die in anderen Regionen reguliert oder beschränkt wurden). Begriffsdefinitionen siehe Glossar.

5 Greenpeace 2018

6 Z.B. Tchibo Greenpeace Detox Commitment 2014

7 ChemSec 2019