Verhindern des logistik- und distributionsbedingten Verbrauchs von Kunststoffen sowie deren Freisetzung in die Umwelt in allen Phasen des Lebenszyklus.
Wachsende Güterströme und ein ansteigender Warenverkehr sowie ein zunehmender Warenaustausch als Folge der Globalisierung der Wirtschaft verbrauchen große Mengen Kunststoff. Dieser fällt in Form von Versand- und Transportverpackungen sowie Füllmaterial entlang der kompletten Logistikkette an. Der globale Markt für Industrieverpackungen wächst: von rund 57 Milliarden US$ in 2017 auf prognostizierte 72 Milliarden US$ bis Ende 2023.1 Flächendeckende intelligente Pfand- und Kreislaufsysteme für Industrieverpackungen, wie beispielsweise IBC (Intermediate Bulk Container) zur Lagerung und für den Transport von flüssigen und rieselfähigen Stoffen, gibt es bisher nicht. Und auch die konsequente Etablierung von Mehrweglösungen wie Mehrwegtransportkisten, Mehrwegversandboxen und Mehrwegtrays steht noch aus. Zusätzlich produziert der boomende Onlinehandel, dessen Wachstumsrate in den vergangenen Jahren bei rund 10% lag,2 immer größere Mengen an Kunststoffmüll, beispielsweise in Form von Versandbeuteln aus Kunststoff. Während 2018 rund 3,5 Milliarden Kurier-, Express- und Paketsendungen durch Deutschland transportiert wurden, geht die Prognose des Branchenverbands BIEK für 2023 bereits von 4,3 Milliarden aus.3 Durch lange Transportwege von Obst und Gemüse für den Einzelhandel, wird zudem das Verpacken mit zusätzlichen Schutzverpackungen gefördert.
Nicht nur der massenhafte logistik- und distributionsbedingte Verbrauch von Kunststoffen ist kritisch. Auch die direkte Freisetzung von Kunststoffen in die Umwelt während der Logistikprozesse stellt ein Problem dar. So stellen Verluste von Kunststoffpellets, ein wichtiges Zwischenprodukt und typische Lieferform in der Kunststoffindustrie, eine der Hauptquellen für primäres Mikroplastik in der (Meeres-) Umwelt dar.4 Europaweit gelangen jährlich zwischen 17.000 und 167.000 Tonnen Mikroplastik in Form von Kunststoffpellets in die Umwelt – vorwiegend beim Umschlag und der Verladung in Produktions- und (Weiter-) Verarbeitungsstätten.5 In Deutschland wird von einer jährlichen Freisetzung von rund 180 g pro Kopf ausgegangen.6 Auf jede*n Bundesbürger*in kommt somit eine Menge an Mikroplastik in Form von Kunststoffpellets äquivalent zu dem Gewicht zweier Tafeln Schokolade, die bereits vor der Verarbeitung zu Produkten die Umwelt kontaminiert.
Um das logistik- und distributionsbedingte Aufkommen von Kunststoffmüll zu minimieren, muss beim Transport und der Verteilung von Gütern und im Online-Versand die Nutzung von Einwegkunststoffen und -versandverpackungen vermieden sowie auf unnötige Umverpackungen und Füllmaterialien verzichtet werden. Intelligente, dem Produkt angepasste Mehrwegverpackungen, die u.a. den Einsatz von Füllmaterialien reduzieren, müssen gefördert werden (siehe auch Forderung 11 und Forderung 13). Eine optimale Kreislaufführung der Verpackungen und Materialien sowie ein qualitativ hochwertiges und sortenreines Recycling müssen hierbei gewährleistet sein (siehe auch Forderung 6). Die Substitution durch Einwegprodukte anderen Materials darf nicht erfolgen. Der Bundesregierung kommt es zu dafür Sorge zu tragen, dass Industrie und Unternehmen den Kunststoffverbrauch in ihren Lieferketten auf ein Minimum reduzieren. Mehrwegsysteme in der Warendistribution müssen gestärkt und eine verbindliche Mehrwegquote für Transport- und Versandverpackungen festgelegt und umgesetzt werden (siehe auch Forderung 11). Ein verpflichtendes Mehrwegsystem für Versandverpackungen muss, als gemeinsame Branchenlösung für Paketdienstzusteller, eingeführt werden. Durch Stärkung regionaler Produktkreisläufe können unnötige Schutzverpackungen bei Obst und Gemüse vermieden werden.
Zur Vermeidung der logistik- und distributionsbedingten Freisetzung von Mikro- und Makrokunststoffen in die Umwelt muss die sichere Handhabung und der sichere Transport von Mikro- und Makrokunststoffen gewährleistet werden. Um den Pelleteintrag in die Umwelt an der Quelle zu stoppen, muss die Bundesregierung, entsprechend des Verursacherprinzips, verpflichtende Zielvorgaben und Maßnahmen für Pellet-Produzenten, Logistikunternehmen und Verarbeiter erlassen, welche die sichere Handhabung in Produktions- und Verarbeitungsstätten sowie den sicheren Umschlag und Transport gewährleisten und die Säuberung betroffener Gebiete beinhalten.
1 Mordor Intelligence o. J.
2 Handelsverband Deutschland – HDE e.V. 2019
3 BIEK 2019
4 Sherrington 2016; Bertling et al. 2018
5 Hann et al. 2018 (die große Spannweite bei der Mengenangabe ist hier durch die mangelhafte Datenlage begründet); Karlsson et al. 2018
6 Bertling et al. 2018, S. 45