Absolute Reduktion der industriellen Nutzung von Primärrohstoffen (fossile Energieträger gleichwohl wie nachwachsende Rohstoffe) zur Herstellung von Kunststoffen, gemäß den Klimazielen des Pariser Klimaschutzabkommens.

Um Deutschlands langfristiges Klimaziel zu erreichen und gemäß des Pariser Abkommens bis 2050 treibhausgasneutral zu werden1, muss der industrielle Einsatz von fossilen Primärrohstoffen wie Erdöl, Erdgas und Kohle als Grundstoff zur Herstellung von Kunststoffen konsequent reduziert werden. Hierdurch würden die Emissionen von Treibhausgasen verringert, die in großen Mengen bei der Förderung und Gewinnung sowie dem Transport dieser Primärrohstoffe zur Herstellung von Kunststoffen entstehen. Aktuell sind es jährlich weltweit mehr als 850 Millionen Tonnen Treibhausgase, was dem Ausstoß von 189 Kohlekraftwerken entspricht, die bei der Produktion und Verbrennung von Kunststoffen verursacht werden – Tendenz steigend.2 Wenngleich sich die globale Kunststoffproduktion zu 99% aus fossilen Energieträgern deckt, gilt es auch, die industrielle Nutzung von nachwachsenden Primärrohstoffen konsequent zu reduzieren. Denn auch die Produktion und Verarbeitung von Rohstoffpflanzen, wie beispielsweise Mais, ist ressourcenintensiv,3 verbraucht fossile Energieträger4 und setzt Treibhausgase frei.

Damit der Wandel von einer ressourcen- und CO2-intensiven Kunststoffproduktion hin zu einer CO2-neutralen und auf Sekundärrohstoffen basierenden Kreislaufwirtschaft gelingt, müssen ökonomische, regulatorische und fiskalische Maßnahmen ergriffen werden. Nur so kann die Herstellung von Kunststoffen aus Primärrohstoffen und die damit einhergehenden CO2-Emissionen drastisch reduziert und dem verschwenderischen Umgang mit Kunststoffen und ihren Rohmaterialien Einhalt geboten werden. Um den Einsatz von fossilen und nachwachsenden Rohstoffen einzudämmen, sollten Primärrohstoffe, anhand von Kriterien die ihre Schädlichkeit für das Klima und die Umwelt berücksichtigen, über eine Ressourcensteuer besteuert werden (siehe auch Forderung 5). Verbindliche Standards zur Recyclingfähigkeit von Kunststoffprodukten und -verpackungen sowie Mindestquoten für den Rezyklateinsatz müssen zudem von der Bundesregierung festgelegt werden (siehe auch Forderung 6).

Direkte und indirekte umweltschädliche Subventionen der petrochemischen Industrie müssen gestoppt werden, um hier eine Lenkungswirkung zu erreichen. Bereits heutzutage ist der petrochemische Sektor einer der größten industriellen Verbraucher von Kohlenwasserstoffen und wird laut International Energy Agency der größte Treiber des globalen Ölverbrauchs (inklusive Nass-Gas) bis 2030 sein.5 Ein Anteil von 14 % des weltweiten Erdölverbrauchs (inklusive Ethan) und 8 % des globalen Gasverbrauchs verantwortet die Industrie bereits jährlich – hauptsächlich für Kunststoffverpackungen und Kunstdünger.6 Laut einer Antwort des European Parliamentary Research Service auf eine Anfrage der MdEP Michèle Rivasi von Mai 2018 wird in Europa 99,99 % des nicht-energetischen Einsatzes von Erdgas von der petrochemischen Industrie verbraucht.7 Statt durch Nichtbesteuerung den Einsatz von fossilen Energieträgern für die Kunststoffherstellung zu begünstigen,8 sollte eine Besteuerung von Erdöl und Erdgas zur Herstellung von Kunststoffen eingeführt werden. Gleichwohl muss auch die Abgabe von freien Zertifikaten aus dem Europäischen Emissionshandel an die petrochemische Industrie gestoppt werden.

Der Fracking-Boom hat ein Überangebot an billigem Ethan (der sog. „Nass-Gas“-Anteil im Schiefer) produziert, welches als Grundstoff zur Herstellung von Ethylen dient, was als meistproduzierte Grundchemikalie insbesondere als Ausgangsmaterial für Kunststoff genutzt wird.9 Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass die Kunststoffindustrie in den USA massiv von der klimafeindlichen und umweltzerstörenden Fracking-Technik profitiert hat.10 Im Gegenzug hat die petrochemische Industrie der Fracking-Industrie eine neue profitable Marktperspektive eröffnet. Zwar hat Deutschland Fracking in Wasser- und Naturschutzgebieten grundsätzlich und Schiefergas-Fracking bis 2021 verboten. Eine restriktive rechtliche Handhabe für die Verwendung von gefrackten Kohlenwasserstoffen durch die petrochemische Industrie fehlt jedoch bisher. Ein sofortiger Stopp von Import, Handel und Verarbeitung von gefrackten Kohlenwasserstoffen muss erfolgen. Dies betrifft sowohl die Verwendung als Energieträger zum Betrieb der energieintensiven Anlagen als auch den Nutzen als direkter Rohstoff zur Herstellung von Kunststoff, Kunstdünger und weiteren petrochemischen Produkten. Gleichzeitig muss – in Anbetracht der internationalen Verpflichtungen gemäß des Pariser Abkommens sowie der verbindlich umzusetzenden Klimaschutzziele – eine Neu-Evaluierung des Betriebs und der Laufzeit bestehender und angedachter petrochemischer Anlagen vor dem Hintergrund von Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz erfolgen.

1 UBA 2019

2 CIEL et al. 2019

3 IfBB 2018

4 CIEL et al. 2019

5 IEA 2018

6 Ibid.

7 EPRS 2018

8 Runkel & Mahler 2017

9 AFPM 2017; ECI 2017; Carey 2019; Wikipedia 2019; ACC o.J.

10 Food & Water Watch 2017