Bewusstseinsbildung, Aufklärung und transparente Informationsvermittlung entlang des gesamten Lebenszyklus zu den von Kunststoffen und ihren Inhaltsstoffen ausgehenden Gefahren für Mensch, Umwelt und Klima sowie zu Strategien, um diese Gefahren abzuwenden.
Deutschland ist europäischer Negativ-Spitzenreiter beim Plastikkonsum.1 In der Bevölkerung nimmt die öffentliche Aufmerksamkeit und das Bewusstsein für die Plastikproblematik zu. 96 % der deutschen Bevölkerung sieht Plastikmüll als größte Gefahr für die Meere.2 Die Sorge der Bevölkerung um Mikroplastik in Lebensmitteln ist mittlerweile auf 56 % gestiegen.3 Gleichermaßen steigt der Wunsch der Verbraucher*innen, ihren Plastikkonsum zu reduzieren. Die meisten Deutschen wünschen sich weniger Kunststoffe in ihrem Leben.4 Repräsentative Umfragen zeigen z.B., dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung weniger Plastikverpackungen bei Lebensmitteln begrüßen würde.5 Jedoch sind Plastikprodukte allgegenwärtig und in unserer Konsumkultur eingeübte Gewohnheiten und Nutzungsmuster im Umgang mit Plastik erschweren eine mögliche Reduktion im Alltag. Gleichzeitig fehlt es an differenzierter und ganzheitlicher Aufklärung über die Auswirkungen der massenhaften Nutzung von Wegwerfprodukten im Vergleich zu Mehrwegprodukten für Umwelt und Klima, welche den gesamten Lebenszyklus berücksichtigt sowie die Problematik der Substitution von Einwegprodukten eines Materials durch Einwegprodukte eines anderen Materials.
Ein Dschungel von Labels und Kennzeichnungen führt zu Verwirrungen in der Bevölkerung und erschwert es, die ökologischen Folgen einzelner Produkte und ihrer Alternativen abzuwägen. Papiertüten genießen bspw. weiterhin ein besseres ökologisches Image gegenüber Plastiktüten, wobei sie gesamtökologisch keinen generellen Vorteil aufweisen.6 In einem harten Kontrast zur einseitigen Informationsflut und der Menge an existierenden Alternativen zu Kunststoffprodukten steht zudem das Schweigen über die Schadstoffe, die in Kunststoffen enthalten sein können und eine Gefahr für die menschliche Gesundheit und Umwelt darstellen (siehe auch Forderung 15 und Forderung 7). Eine vollständige Deklaration der in Kunststoffprodukten und -verpackungen enthaltenen und bei der Verarbeitung eingesetzten Stoffe gibt es nicht.
Klare und unabhängige Kennzeichnungen und Begrifflichkeiten sind notwendig, um Konsumentscheidungen auf der Basis von gesundheitlichen und ökologischen Gesichtspunkten zu erleichtern und die Irreführung von Verbraucher*innen zu verhindern. Nach wie vor kann nur schwer zwischen Einweg- und Mehrweggetränkeflaschen unterschieden werden.7 Zudem tragen Kennzeichnungen wie „kompostierbar“ für Bioplastik-Tüten für Bioabfälle zur Verwirrung bei, da sie in Kompostierungsanlagen meist nicht abgebaut werden und auch nicht für die Entsorgung im Biomüll oder auf dem Heimkompost geeignet sind.8 Gleiches gilt für andere Produkte wie “kompostierbare” Bio-Kaffeekapseln. Die uneindeutige Nutzung des Begriffs „bio“ verhindert zudem, dass bei Produkten und Verpackungen biobasierte von biologisch abbaubaren Kunststoffen unterschieden werden können. Problematisch ist insbesondere aber auch der Begriff „Bioplastik“ an sich, da er eine nicht vorhandene Umweltfreundlichkeit suggeriert (siehe auch Forderung 1).
Handlungsbedarf gibt es außerdem im Hinblick auf die Entsorgung von Plastikprodukten. Die Komplexität kommunaler Abfallmanagementsysteme benötigt zusätzliche Aufklärung der Bevölkerung, damit die Haushalte optimal zum Abfallmanagementsystem beitragen können.
Wir fordern deshalb von der Bundesregierung die Einführung einer Deklarationspflicht für alle Kunststoffprodukte für Verbraucher*innen über einfache, schnell erfassbare Labels, die möglichst in bisher bestehende Labels integriert werden (z.B. den Blauen Engel) und folgende Punkte verdeutlichen:
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den ökologischen Fußabdruck der Produkte (entlang des gesamten Lebenszyklus des Produktes, inkl. der potentiellen Entsorgungsrisiken)
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eine potentielle gesundheitliche Gefahr unter Berücksichtigung aller Zusatzstoffe, mit besonders eindeutigen Kennzeichnungen für besonders gefährdete Gruppen, wie Schwangere und Kinder
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die vorgesehene Nutzung sowie mögliche Risiken durch eine falsche Nutzung (Bsp. feuchtes Toilettenpapier aus Kunststofffasern – sollte nicht über die Toilette entsorgt werden)
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eine klare Kennzeichnung für die sachgerechte Entsorgung (welche Tonne) und wie Verpackungen zu trennen sind
Zum Schutz von Verbraucher*innen, Abbau von Unsicherheiten und als Grundlage für fundierte Konsumentscheidungen, muss die Information über Schadstoffe in Plastik, die Gesundheit und Umwelt belasten, stärker in den Fokus gerückt werden. Diese sollten Verbraucher*innen bspw. in einer über das Einscannen des Barcodes erreichbaren digitalen Anwendung zur Verfügung gestellt, in Webshops ausgewiesen sowie in analogen Hinweistabellen an den Regalen in Geschäften zugänglich gemacht werden. Zudem muss verstärkt über die Belastung von Umwelt- und Klima durch den gegenwärtigen Kunststoffverbrauch und insbesondere die massenhafte Einwegproduktnutzung, informiert werden. Deshalb fordern wir von der Bundesregierung außerdem:
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die vollständige Deklaration der in Kunststoffprodukten und -verpackungen enthaltenen und bei der Produktion eingesetzten Stoffe, wobei die Deklarationspflicht entlang der gesamten Lieferkette gelten muss, damit eine sichere Handhabung und Verarbeitung von Plastikprodukten in allen Prozessen der Wertschöpfungskette (Arbeitsschutz, Produktsicherheit, Nutzung, Weiternutzung/Aufarbeitung) sichergestellt werden kann (siehe auch Forderung 6, Forderung 7 und Forderung 15)
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die Gewährleistung von Transparenz in der Herstellerkette, damit zu jedem Zeitpunkt ermittelbar ist, welche Stoffe im Produkt enthalten sind und welche Risiken für Mensch und Umwelt bestehen (siehe auch Forderung 6, Forderung 7 und Forderung 15)
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die Aufklärung der Verbraucher*innen über die Stoffe, die in oder auf Kunststoffprodukten und -verpackungen enthalten sind, bzw. sein können, und ihre Folgen für die menschliche Gesundheit und Umwelt
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die Information über die negative Wirkung von hormonell wirksamen Zusatzstoffen (endocrine disruptive chemicals=EDC) und die Listung von verdächtigten EDC-Kandidaten
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die Aufklärung über das Vorkommen und die Entstehung von Mikroplastik (z.B. durch Waschen von synthetischen Textilien, Reifenabrieb, Kunstrasenplätze und Fragmentierung von in die Umwelt gelangtem Plastikmüll) sowie die davon ausgehenden Gesundheits- und Umweltrisiken und Möglichkeiten der Vermeidung
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die Aufklärung über das Vorsorgeprinzip und die erweiterte Herstellerverantwortung
Um das große Potential für Plastikreduktion durch das Verhalten von Verbraucher*innen zu nutzen und nachhaltige Verhaltensmuster zu fördern und insbesondere der Substitution von Einwegkunststoffprodukten durch Einwegprodukte anderen Materials entgegenzuwirken, ist es wesentlich, klar und einfach über mögliche Verhaltensalternativen und Mehrwegsysteme aufzuklären. Deshalb fordern wir von der Bundesregierung weiterhin:
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eine klare Kennzeichnung von Einweg- und Mehrwegprodukten und -verpackungen, jeweils auf dem Produkt/der Verpackung
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breit angelegte Informations- und Aufklärungskampagnen über praktikable Mehrweglösungen und existierende Mehrwegsysteme, die Änderung von unökologischen Gewohnheiten sowie zum Thema „Zero Waste“
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auf Länderebene auf die Verankerung des Themas „Umgang mit Ressourcen“ und „bewusster Konsum“ in den schulischen Lehrplänen und der beruflichen Aus- und Weiterbildung hinzuwirken
Zur Vermeidung von Littering und einer unsachgemäßen Entsorgung fordern wir von der Bundesregierung zudem:
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die Bereitstellung leicht verständlicher Informationen hinsichtlich korrekter Abfallentsorgung und der Rückgabe nicht mehr benötigter Gebrauchsgüter
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eine ausreichende Bereitstellung von kostenlosen Entsorgungs- und Rückgabemöglichkeiten und -strukturen für Konsument*innen
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die Gewährleistung des Vollzugs der ordnungsrechtlichen Maßnahmen zur Ahndung von Littering oder „wilder“ Entsorgung
1 Plastics Europe 2018
2 BMU 2017
3 BfR 2018
4 BMBF 2017
5 vzbv 2019
6 Bisinella et al. 2018
7 AK Mehrweg GbR 2018
8 UBA 2019